Ein entscheidender Unterschied zwischen Scrum und der deutschen Herangehensweise "Konzeptions- vor Durchführungsphase", wie sie beispielsweise im Wasserfallmodell zum Einsatz kommt, ist die Variabilität der Funktionalität bzw. der Qualität, erklärt anhand des Teufelsquadrats frei nach Harry Sneed:

Im Wasserfallmodell sind drei Variablen fix: Die Kosten stehen nach der Konzeptionsphase fest, ebenso die Zeit, in der die fest definierte Funktionalität fertig gestellt werden muss.

In Scrum sind ebenfalls drei Variablen fix: Zeit, Kosten und Qualität.

Wenn nun in einem Projekt Hindernisse auftreten, dann kosten diese meistens Zeit. An den Kosten ändert das nicht viel, denn die gleichen Entwickler müssen auf der gleichen Hardware arbeiten.
Im Wasserfall-Projekt hieße dies, die Funktionalität "quick and dirty", schnell und dreckig, runterzuprogrammieren, damit man noch zum Termin hin fertig wird. Damit sind dann meist die Entwickler nicht glücklich, weil sie nicht stolz sein können auf ihre Arbeit, weil sie - mit Ihren Augen gesehen - Schmutz abgeliefert haben. Das Marketing ist nicht glücklich, weil die Endbenutzer haufenweise Bugs melden oder sie das minderwertige Produkt nicht kaufen. Das Management ist nicht glücklich, weil das nächste Release des Produktes sehr viel teuerer wird, da die Entwickler auf minderwertigen Code aufbauen müssen und es entsprechend schwieriger, also zeitintensiver und damit teuer, wird. Niemand ist damit glücklich!
Im Scrum-Projekt sind die Entwickler glücklich, obwohl sie zwar weniger geschafft haben, aber was sie geschafft haben, dass hat Hand und Fuß und der Entwickler kann darauf stolz sein. Das Marketing ist glücklich, obwohl sie nicht alle Funktionalitäten verkaufen können, aber das, was sie verkaufen, ist qualitativ hochwertig, und das freut die Endbenutzer und es werden weniger Bugs gemeldet. Das Management ist glücklich, weil die nachfolgenden Releases echte Funktionalität liefern und keine reinen Sanierungsrunden darstellen. Alle sind damit glücklich!
Natürlich kann man jedes Projekt in den Abgrund reiten, und natürlich kann man nur bis zu einem gewissen Grade die Funktionalitäten beschneiden und trotzdem noch das Projektziel erreichen, analog zur Reduktion der Qualität. Die Beschneidung von Funktionalitäten läßt sich aber sehr transparent darstellen anhand der unterschiedlichen Funktionalitäten, die das Produkt schon hat, noch haben wird wird zum Release, und jene, die es nicht mehr haben wird. Im Gegensatz dazu kann man nur implizit an der Qualität Abstriche machen, und allerhöchstens im Nachhinein explizit feststellen, dass das Produkt nicht gekauft wird oder haufenweise Bugs gemeldet werden. Implizitem Qualitätsverlust ist immer schwerer beizukommen als explizitem Funktionalitätenschwund.
Was Du schilderst, ist ein Spezialfall eines "Alles-fix" Projektes: alle interessanten Variablen sind fix, nur eine (die Qualität) bleibt übrig und wird uninteressant.
AntwortenLöschenDu kennst wahrscheinlich den hier: "Alles-fix-Projekte sind die Projekte, bei denen man nach dem Release alles fixen muss!" :-)