Sonntag, 30. September 2007

Dieser Blog ist tot. Ich blogge weiter auf dem «Agile Trail».

Berlin und Biel ist viel zu viel

Mein 100er von Biel ist jetzt 14 Wochen her - nicht lange genug. Mehr aus Trotz wollte ich heute die Drei-Stunden-Marke beim Berlin-Marathon angehen, aber leider hat nur Haile eine neue Bestzeit geschafft.

Man soll sein Glück ja auch nicht herausfordern. Drei Wochen nach Biel habe ich das Training für Berlin aufgenommen. Zuerst hat das ja auch gut geklappt: Am Ende der zweiten Trainingswoche bin ich eine neue Bestzeit über 10 km gelaufen (38'09). Allerdings hatte ich da auch schon diejenigen Beschwerden, die mich heute haben scheitern lassen, nämlich eine Sehnenreizung im linken Bein.

Die Schmerzen wurden dann irgendwann so stark während des weiteren Trainings, dass ich zum Orthopäden ging und schließlich beim Physiotherapeuten (Frank Schmelcher aus Karlsruhe, sehr zu empfehlen!) landete. Das war noch Glück im Unglück, denn ich habe dort viele gute Tipps fürs Training bekommen.

Dummerweise habe ich nach der ersten Behandlung in der Physiotherapie entweder eine Gürtelrose bekommen oder aber eine immens starke Haarwurzelentzündung: Die Diagnose hing vom jeweiligen Arzt ab :-/ Wie auch immer: kompletter Trainingsausfall von anderthalb Wochen und danach enorm eingeschränktes Training.

Und die Arbeit: Seit vier Wochen läuft meine Batterie auf Reserve, und in diesen Wochen habe ich zwei Schulungen gegeben, was nicht sehr entspannt. Urlaub kommt zwar, aber leider passte der privat und beruflich nicht mehr vor Berlin. Es gibt nichts besseres für einen Wettkampf, wenn man sich vorher gut erholen kann. Das ist weitaus wichtiger, als hinterher die Beine hochzulegen. Das alles fällt einem besonders dann auf, wenn man bewusst Stress erfährt, während einem die Zuschauermassen in Berlin zujubeln und man denkt 'Boah, wann hört denn dieser Krach auf - das neeeervt!!'

Na, wenn ich mir das jetzt so anschaue, dann hätte ich viel Geld und Engagement sparen können, wenn ich Berlin ausgelassen hätte. Hätte, könnte, sollte, jetzt egal.

Gestern, Samstag, bin ich von Karlsruhe nach Berlin via ICE gefahren und noch auf die Berlin Vital zum Startunterlagen abholen gegangen. Abends habe ich mich dann vorm Fernseher ausgeruht und die Sachen für den nächsten Tag vorbereitet. Zum Glück hat unsere Firma in Berlin Wohnungen, die nur unter der Woche genutzt werden - oder wenn ein Kollege eben Marathon läuft :-) Danke von dieser Stelle an Henning für die tolle Schlüsselübergabe!

Als ich heute morgen aufgestanden bin, war ich hundemüde, obwohl ich acht Stunden Schlaf hinter mir hatte. Kein gutes Omen. Nach dem Frühstück bin ich gleich los, von der Wohnung in der Nähe der Messe (ICC) zum Marathon-Start-Ziel-Bereich zwischen Hauptbahnhof, Reichstagsgebäude und Brandenburger Tor. Boah, was für Menschenmassen. Wieder über 40000 Meldungen hat's dieses Jahr gegeben, und der Laufpöbel will versorgt werden: Umziehplätze, Kleiderbeutelverwahrstellen, Toiletten, ... - ja, diese blöden Toiletten sind nie in ausreichender Anzahl vorhanden, gleich welche Anzahl da rumsteht. Es war knapp, aber trotzdem war ich pünktlich am Start in Block C. Es gibt acht Blöcke, A bis H, wobei C derjenige ist mit den Läufern im Bereich 2:50 h bis 3:00 h. Gestartet wurde um Punkt 9:00 h, und zwar die Blöcke A bis C. Der Rest rückt dann auf und macht einen zweiten Start mit, zwei Minuten später als der erste. Und es gibt noch einen dritten Start, noch mal zwei Minuten nach dem zweiten Start. Alles, damit sich die Leute nicht tottrampeln.

Das lief von Anfang an nicht rund bei mir. Normalerweise ergibt sich nach ein paar Kilometern so ein Flow-Gefühl das signalisiert, dass ich gut drauf bin. Pustekuchen, nix da mit Flow! Ich hätte genau so gut die ganze Zeit auf Kopfsteinpflaster laufen können, dass wäre ähnlich flüssig vom Bewegungsablauf gewesen. Naja, immerhin waren die Zeiten gut: die ersten fünf km lag ich bei 20'57, dann 21'17, 21'06 und 21'30. Die erste Hälfte bin ich in 1:29'40 gelaufen - zu langsam, denn normalerweise brauche ich ein 49:51-Verhältnis, weil ich hintenraus langsamer werde. Das wären dann 1:28'12 auf den Halben gewesen und 20'54 pro 5er-Abschnitt. 'Egal', denke ich mir, 'dann machst Du von jetzt bis Kilometer 30 ein wenig Druck', und vielleicht würde ich einen Puffer aufbauen können.

Von Kilometer 21 bis 22 bin ich exakt 4'15 gelaufen (das ist in etwa der Kilometerschnitt den man für < 3:00 h anpeilen muss. Von Kilometer 22 bis 23 wollte ich, wie beschrieben, Druck machen - und bin eine 4'16 gelaufen! Grrr, das muss doch gehen, also noch mal mehr Druck von Kilometer 23 bis 24: 4'17. Da war's dann vorbei mit der Psyche.

Ab Kilometer 10 hatte ich Schmerzen im linken Fuß, was nervig, aber nicht schlimm war. Ab Kilometer 12 gesellte sich zum Fuß die Sehne hinzu, die mir das Training versaut hat. Und ab Kilometer 15 oder so machte der Magen-Darm-Trakt bei der Party mit. Bei Kilometer 24 kam dann alles zusammen: die Körperteileparty und mein Unvermögen, trotz vollem Aufgebot aller Energiereserven die Kilometerzeitvorgabe zu halten.

In Berlin gibt es viele U-Bahn-Stationen. Von denen lungern zig an der Marathonstrecke rum. Welch eine Versuchung für mich ab Kilometer 24! Aber ich war zu neugierig auf die Strecke, und überhaupt: Ich habe schon einmal einen Marathon zu viel abgebrochen und das macht man einfach nicht. Ehre und so.

Der Plan A war ursprünglich, dass ich nach Berlin fahre und mal die 3 h zu knacken versuche. Plan B sah vor, dass, sollte ich tatsächlich nicht Plan A umsetzen können, ich locker auslaufe ins Ziel hinterm Brandenburger Tor. Auslaufen? Hallo? Womit ich gar nicht gerechnet habe: Ich musste richtig kämpfen, um dabei zu bleiben! In Freiburg bin ich dieses Jahr schon tüchtig daneben gelegen, was meine Zielzeit anging (unter 3 h angepeilt, 3:16'30 ist's geworden), aber da bin ich trotzdem eine 3:15 gelaufen.

In Berlin nun habe ich mich dann ziemlich ins Ziel gequält, insgesamt fast zwei Stunden auf der zweiten Marathonhälfte. Sehnenschmerzen, Gehpausen (!), Schleichabschnitte, Unter-5'00-Abschnitte, und wieder von vorne. Nee, das machte echt keinen Spaß, tolle Strecke hin oder her. Nach einer gefühlten Ewigkeit bin ich dann mit einer Nettozeit von 3:26'46 ins Ziel gekrochen. 'Immerhin überhaupt angekommen', denke ich mir jetzt so im Nachhinein. Der Marathon in Berlin ist sehr schön: gute Organisation, viele Menschen an der Strecke (wenn man sie aushalten kann ;-) ), tolle Streckenführung. Hinzu kam dieses Jahr ein klasse Wetter (12°; bedeckt, aber kein Regen). Hätte gerne selbst erfahren, wie schnell die Strecke ist, aber dieses Gefühl wollte sich irgendwie nicht einstellen... Leider habe ich kein Finisher-Shirt mehr bekommen. Man hätte vorbestellen sollen, habe ich vom Infostand erfahren. Es weiss nicht zufällig jemand, wie ich noch an eines herankommen könnte?

So, jetzt mache ich erstmal Urlaub, zwei Wochen ausspannen (ja, ich weiß, hätte ich vor Berlin machen sollen), und dann werden die Pläne für die nächsten 12 Monate geschmiedet. Für dieses Jahr soll's das auch erstmal gewesen sein (naja, vielleicht noch einen kleinen 10er oder so). (Vorläufige) Bilanz für 2007:

  • Fünf Marathons oder drüber: Freiburg-Marathon, Rhein-Ruhr-Marathon (Trainingslauf), 50-km-Westerwaldlauf (Trainingslauf), 100 km von Biel, Berlin-Marathon
  • Neue Bestzeit über 10 km (38'09 im Schwarzwälder Bühlertal; hügelig: da stecken noch bessere Zeiten drin auf ebener Strecke!)
  • Neue Strecken gelaufen: 50 km (Westerwaldlauf in 4:43) und 100 km (Biel in 10:34'55) und damit meine ersten Ultras überhaupt
Was lerne ich vom Berlin-Marathon und der Vorbereitung darauf:
  • Unterschätze nicht, wie Dich ein 100er auslaugt! Ich war nicht bereit für das Training auf einen Marathon unter drei Stunden drei Wochen nach Biel. Wenn ich nächstes Jahr Biel laufe, werde ich danach keine Bestzeiten jagen.
  • Das Training von Ultra und Marathon unterscheiden sich sehr: Ist das Ultratraining von Quantität geprägt (sehr viele Kilometer, sehr lange Läufe), so ist das Marathontraining von viel mehr Tempoeinheiten durchsetzt (Tempoläufe, Intervallläufe, Fahrtspiele, Bahntraining, Steigerungen, Intensive Marathonkontrollläufe). Gerade diese Tempoeinheiten haben mir, respektive meiner Sehne, sehr zu schaffen gemacht. Ich darf beim nächsten Mal nicht mit so viel Tempoeinheiten vom Ultratraining zum Marathontraining wechseln.
  • Beim Wechsel von Ultra- auf Marathontraining konzentriere Dich stärker auf den Aufbau der Muskulatur durch entsprechende Übungen: Gymnastik, Wackelbrett, Lauf-ABC. Sonst haut's Dich bei den Tempoeinheiten aus der (Trainings-)Kurve.
  • Urlaub sollte vor einem Wettkampf liegen, mindestens drumherum, auf keinen Fall danach. Kann ich meinen Urlaub nicht verlegen, verlege ich mich selbst auf einen anderen Wettkampf. Berlin wäre auch nächstes Jahr noch attraktiv gewesen.
  • Enthaarte Beine verhindern Haarwurzelentzündungen :-)

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