10k im Bühlertal: Höhenschnuppern
Heute war ich beim 41.Internationalen Volkslauf-Bühlertal gestartet, und zwar beim 10-km-Lauf. Der ist gar nicht direkt im Ort Bühlertal, sondern gestartet wird bei 886 m ü. M. beim Luftkurort Hundseck, direkt an der Schwarzwaldhochstraße. Das ist für einen Wahl-Karlsruher mit nur 115 m ü. M. schon ganz schön hoch.
Eigentlich wollte ich morgens um 5:30 h aufstehen, um 6 h zu Markus fahren, Laufkollege von mir und Arbeitskollege von Jorina, dann zusammen mit ihm um 6:20 h in Ruhe in den Schwarzwald fahren, bei der Wettkampf-Organisation anmelden, umziehen, warmlaufen und um Punkt 8 h starten. Um 6:39 h bin ich aufgewacht, weil es mir verdächtig hell draußen zu sein schien...
Panik! Ursachenforschung: Handywecker hat geweckt, Handy war aber auf lautlos geschaltet. Scheiße! Pulsuhrwecker hat geweckt, habe den Arm aber unter der Decke gehabt und das Piepen nicht gehört. Scheiße! Muss Markus Bescheid telefonieren. "Kein Anschluss unter dieser Nummer!" Wah? Markus hat mir die falsche neue Handy-Nummer gegeben. Rufnummernspeicher durchwühlen, richtige Nummer finden, Markus anrufen. Markus ist noch bei sich Zuhause, wartet auf mich. Mist! Wir verabreden, getrennt zu fahren und uns am Start zu treffen. Katzenwäsche, Klamotten anziehen (gestern Abend schon bereit gelegt), Sachen schnappen (gestern Abend schon gepackt), waghalsige Manöver Richtung Autobahn einlegen. Polizeikontrolle. Neiiin! "Ich habe nichts getrunken, bin auf dem Weg zu einem Wettkampf!" Wedele mit dem Ausdruck der Google-Maps-Karte. Als ob das überzeugen könnte. Kann es, ich darf sofort weiterfahren. Komme gegen 7:40 h in Hundseck an. Wetze zur Anmeldung, bezahle EUR 6, bekomme Startnummer, wetze zurück zum Auto. Dreimal die Sicherheitsnadeln korrekt benutzt (Startnummer mit Shirt verbinden), einmal nicht (Startnummer mit Fleisch verbinden). Fluche wie ein Feldspatz. Vaseline schmieren, Autan sprühen, Tape kleben - fertig. Noch sechs Minuten, laufe mich warm auf dem Sprint zum Start...
Markus stand schon an der Startlinie und winkte mir zu. Wir hatten noch zwei Minuten, unter anderem, um das Profil abzuklären: Die 10 km wurden in einer einzigen Schleife gelaufen. Wir waren im Schwarzwald, und es wurde hügelig: Die ersten 2 km waren relativ steil bergauf, danach ging's stetig bergab, und die kleine Anhöhe vorm Ziel fiel dann schon gar nicht mehr auf. Meine Pulsuhr vermeldete allerdings nach dem Lauf nur schlappe 70 Höhenmeter - kam mir deutlich mehr vor.
Der Startschuss erfolgte und beendete abrupt meine Überlegungen, ob ich mich noch ein wenig mental auf diesen Lauf würde vorbereiten können. Ich war etwas verwirrt, stand in der zweiten Reihe, lief los wie immer - und hatte nach 500 m nur noch fünf Läufer vor und schon eine ordentliche Lücke hinter mir. Ich erinnerte mich, dass der Sprecher vor dem Start irgendetwas von zuwenig Läufern erzählt hatte, weil am Vortag eine Konkurrenzveranstaltung stattgefunden hatte. Aha, deswegen war ich also so weit vorne. (Später erfuhr ich, dass es sich um den Hardtseelauf mit den Badischen Volkslauf-Mannschafts-Meisterschaften handelte.)
Ab km 2 lief die Spitzengruppe, bestehend aus drei Läufern, der Verfolgergruppe, auch drei Läufer, davon. In der Verfolgergruppe war ich. Wer hier an Tour de France denkt, der liegt da gar nicht so verkehrt: Die drei da vorne setzten sich ab, wir setzten ihnen nach. Naja, also eigentlich setzten wir da gar nichts nach, noch nicht einmal etwas dagegen. Wir, Erich Feist (M50), Manfred Haas (M35) und ich, wir hatten genug mit uns selbst zu schaffen.
Bei Kilometer 3 hatte sich die Spitzengruppe so viel Abstand verschafft, dass ich nicht mehr an sie dachte und mich nur noch um meine eigene Gruppe kümmerte. Die 4. Kilometermarkierung nutzte der M50 für eine Tempoverschärfung - und ich konnte nicht mit, weil ich da gerade Seitenstechen bekam. "Na toll", dachte ich, "wieder meine Magen-Darm-Verschwörung!" Nee, war sie nicht, war wirklich nur ein paar hundert Meter Seitenstechen, die dann wieder verschwanden. Muss noch vom "Aufstieg" gewesen sein, also von den ersten zwei Kilometern.
Irgendwo zwischen Kilometer 4 und 5 gab ich dann wieder Gas. Der M50 hatte inzwischen den M35 stehenlassen, und den habe ich mir dann geschnappt. Das Überholen ging reibungslos, also visierte ich den M50 an und brauchte etwa anderthalb Kilometer zum Auf- und Überholen.
Bestandsaufnahme: Mir geht's saugut. Die Geschwindigkeit ist berauschend, es geht die ganze Zeit leicht bergab. Ob das eine neue persönliche Bestzeit wird? Fühlt sich so an. Genau sagen kann ich's nicht, hab' keinen einzigen Kilometer mitgestoppt, weil auf die anderen Läufer geachtet. Wie auf den M50 von gerade eben. Der ist jetzt schon weit hinter mir. Was nun? Mist, bin alleine, kein Ziel mehr vor Augen. Doch! Da vorne, ist das...? Ja! Das ist einer von der Spitzengruppe! Der ist ja gar nicht so weit weg, hat wohl das Tempo der anderen nicht mitgehen können. Na, dann mal hinterher, was hab' ich zu verlieren? 4. Platz ist doch blöde... Das flutscht aber heute auch wie geölt, ich komme immer näher. Kilometer 7 ist gerade vorbei, gleich bin ich bei ihm. Und dann? Argh, Taktik! Ich darf nicht hinter ihm verschnaufen, dann komme ich nie an dem vorbei und vorm Ziel überspurtet der mich. Also dran vorbeilaufen und so tun, als ob das ganz leicht wäre. Meine Beine sind schon total schwer. Jetzt bin ich dran - und vorbei. Er schaut rüber, ich nicht, gebe direkt neben ihm noch etwas Gas, jetzt bin ich an ihm vorbei. Unglaublich, aber der Abstand wird größer, fünf Meter, zehn Meter. Der ist platt, der kann nicht mehr mithalten! Da ist Kilometer 8, und der Abstand wächst. Hier ist's sehr kurvig, so dass ich mich nicht umzudrehen brauche, sondern in den Kurven zur Seite lugen kann. Und der Abstand wird immer noch größer! Aber ich freu mich noch nicht zu früh, noch ist das Ziel fern. Aber he, da ist schon das Schild für km 9. Das gibt es doch nicht, der kommt nicht mehr ran, und ich kann sogar noch drauflegen, gebe Alles auf den letzten Metern...
Ich hatte noch nie so einen leeren Zielbereich beim Einlaufen gesehen. Alles applaudierte, ich war fix und alle, und stehe zwei anderen Läufern gegenüber - den einzigen anderen im Ziel! Ob ich M35 sei, fragten sie sofort. Nein, M30, sagte ich. Da waren sie froh. Welche Plätze sie gemacht hätten, fragte ich. Den ersten und zweiten, sagten sie. Und wo sind die anderen, fragte ich. Und als sie den Kopf schüttelten raffte ich endlich, dass ich gerade den dritten Platz in der Gesamtplatzierung gemacht hatte!
Boah, was für ein Gefühl! Ich stand noch nie bei der Gesamtplatzierung auf dem Treppchen! Auf den ersten Platz lief Bernd Schillinger (M35), auf den zweiten Alexander Leuchtner (M35). Den Bruder von Bernd, Martin Schillinger, auch M35, hatte ich als letztes überholt, und da ich kein M35, sondern noch ein M30 bin, teilten sich die drei zwar nicht die Gesamtplatzierung, aber immerhin die Altersklassenplatzierung der M35. Glückwunsch an alle drei!
Zweite Freude an diesem Tag: Ich hatte meine alte persönliche Bestzeit regelrecht terminiert! Um 53 Sekunden habe ich mich von 38'09 min auf 37'16 min steigern können. 53 Sekunden! Wahnsinn! Dabei habe ich dem Gesamt-Viertplatzierten noch 14 Sekunden abnehmen können. Bin total begeistert, wie das gelaufen ist!
Meine Befürchtung nach der ersten Freude: Das ist nur ein Trost-Dritter-Platz, denn das Startfeld war nicht so pralle dieses Jahr, lediglich 114 Teilnehmer. Aber wenn man sich mal die Ergebnisse von vor zwei Jahren anschaut (die gibt's noch online bei Google): Platz 1 und 2 sind keine unbeschriebenen Bühlertal-Blätter: Vor zwei Jahren kam Alexander auf den 5. Platz, Bernd auf den 2. Platz. Und mit meiner Zeit von heute wäre ich vor zwei Jahren immerhin noch auf den 5., Alexanders, Platz gekommen. Für mich eine absolute Traumzeit!
Apropos Traumzeit: Markus kam in für ihn guten 49'55 min ins Ziel, seine, wie es gleich nach dem Lauf aus ihm herausprustete, Traumzeit. An dieser Stelle herzliche Glückwünsche an Markus!
Die dritte Freude an diesem Tage kam dann beim Warten bei Kaffee und Kuchen auf die Siegerehrung, als Markus sich in der Ergebnisliste fand und mich fragte, ob denn die 2 hinter seinem Namen tatsächlich bedeute, dass er in der Altersklasse M30 auf den zweiten Platz gelaufen sei! Ja, bedeutete sie, er war Zweitplatzierter in der AK M30 - direkt hinter mir, dem Erstplatzierten in der AK M30! Und so standen Markus und ich denn gemeinsam mit dem Drittplatzierten der AK M30, Sebastian Walter, auf dem Podest.
Ist das ein geiler Tag, oder was? Gesamt-Dritter, Alterklassen-Erster, Persönliche Bestzeit, gesund, Markus glücklich und ich erst recht. Das sind ungewohnte Höhen für mich, muss mich erstmal dran gewöhnen. Sub-36, ich komme!
P.S.: Ich bin immer noch ohne orthopädische Einlagen unterwegs! Drei Wochen nach dem 80er in Karlsruhe, bei dem ich das erste Mal seit Jahren ohne Einlagen gelaufen bin, bin ich immer noch nicht wieder rückfällig geworden. Und anscheinend tut es mir gut (siehe neue persönliche Bestzeit über 10 km :-) ). Zumindest konnte ich die letzten drei Wochen Bahntraining absolvieren, ohne Fuß- oder Hüftprobleme zu bekommen.
P.P.S.: Das war der erste Lauf für einen Verein in meinem Leben. Vor vier Wochen habe ich mich nach Vereinen in Karlsruhe umgeschaut und bin beim LSG Karlsruhe hängengeblieben. Nette Leute, von Hobbyläufern bis Elite ist alles dabei. Ich glaube, da werde ich glücklich.
Update 23.07.2008: Die von der LSG haben sich so über diesen Post gefreut, dass sie angefragt haben, ob sie ihn auf ihre Homepage übernehmen dürfen. Durften sie, und haben sie dann auch.